Zwischen Baustaub und Bücherregalen: eine Bibliothek zieht um
18 Kilometer Regale: Die schnellsten Menschen der Welt würden unter optimalen Bedingungen etwa 43 Minuten benötigen, um all diese Regale abzulaufen, eine entsprechende Wanderung vier bis fünf Stunden dauern, mit dem Fahrrad wäre es für Hobbyradler:innen in unter einer Stunde zu schaffen. Ständen alle Regale voller Bücher, bräuchte es im Arbeitsleben zwei Jahre und sieben Monate, um jedes Buch aufzublättern. Um die Strecke von unserem Standort in Köln nach Königswinter zu überbrücken, müssten die Regale zweieinhalb Mal aneinandergereiht werden.
Vielleicht stellen Sie sich jetzt die Frage: Was hat es mit den 18 Regalkilometern auf sich? Und warum Königswinter? Beides hängt eng zusammen, denn im Oktober 2023 sind 18 Regalkilometer voll mit Zeitschriftenbänden von der ZB MED-Bibliothek in Köln nach Königswinter umgezogen. Dort ist ein neuer Magazinstandort entstanden, an dem nun ein Großteil des Zeitschriftenarchives aus den Fachgebieten Medizin und Gesundheitswesen unter optimalen Bedingungen bewahrt und für die Lieferdienste bereitgestellt wird. Gabriele Wollnik-Korn, verantwortlich für den Umzug und alles, was damit verbunden ist, berichtet.
Im Oktober 2023, sechs Monate nach Mietvertragsunterzeichnung, konnte ZB MED den neuen Magazinstandort Königswinter beziehen, an dem nun ein Großteil des Zeitschriftenarchives aus den Fachgebieten Medizin und Gesundheitswesen unter optimalen Bedingungen bewahrt wird. Und seit Oktober beliefert ZB MED nahezu reibungslos Kund:innen aus der ganzen Welt gewohnt zuverlässig und umfassend mit der benötigten Fachliteratur.
Das klingt alles nach einem reibungs- und geräuschlosen Ein- und Umzug. War es das wirklich?
Die Ausgangssituation:
Die Universität zu Köln kündigte Ende des Jahres 2021 den Mietvertrag für die Räumlichkeiten im LFI-Gebäude, die bislang ZB MED zur Verfügung standen, da sie sie zukünftig selbst benötigt. Für ZB MED – als nationale Zentrale Fachbibliothek weiterhin verpflichtet, medizinische Print-Bestände zu archivieren – bedeutete das einen Wettlauf gegen die Zeit. Der Auszug aus dem LFI-Gebäude sollte bereits bis Ende Oktober 2023 erfolgen. Bis dahin eine neue Magazinfläche zu finden, die dem besonderen Bedarf entspricht, erschien fast unmöglich. Eine Fläche von ca. 4.000 m², regionale Nähe zu Köln und Bonn, ein vorhandenes Klimasystem und eine bezahlbare Miete waren nur einige Herausforderungen bei der Immobiliensuche. Die Marktsituation unter diesen Bedingungen war und ist schwierig, denn die Nachfrage übersteigt das Marktangebot deutlich.
Das (fast) Unmögliche möglich machen
ZB MED gelang es, in einer Rekordzeit von nur drei Monaten eine fast perfekte Immobilie in Königswinter zu finden. Die Aushandlung des Mietvertrages nahm einige weitere Monate in Anspruch. Aber der Vermieter, Hans Werner Pütz, Geschäftsführer der K. W. L. Grundbesitz GmbH & Co. KG, sicherte ZB MED einen Einzug nur sechs Monate nach Mietvertragsunterzeichnung zu. Und das, obwohl das Gebäude von Grund auf saniert werden musste.
Ist so etwas in der Zeit von Lieferengpässen und Baumaterialmangel überhaupt möglich? Und kann es in der knappen Zeit realisiert werden?
Um es kurz zu machen: Ja, so etwas ist möglich!
Der neue Magazinstandort von ZB MED in Königswinter ist knapp 43 km vom Standort Köln und 13 Kilometer von Bonn entfernt. Er ist gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar, denn der Bahnhof Königswinter befindet sich in unmittelbarer Nähe. Außerdem sind eigene Parkplätze vorhanden.
Das Gebäude, ein ehemaliger Industriebau in extrem massiver Bauweise, war in keinem optimalen Zustand. Eine Sanierung war daher unumgänglich. Eine neue Klima- und Brandschutzanlage, neue Fenster mit einer Dreifachverglasung und Außenjalousien ermöglichen jetzt eine langfristige, sichere Aufbewahrung der Bestände. Das Gebäude wird geheizt und gekühlt mit einer modernen Wärmepumpe. Es ist mit einer energieeffizienten LED-Beleuchtung ausgestattet. Eine Photovoltaikanlage ist in Vorbereitung – ein weiterer Baustein für die Nachhaltigkeit.
Insgesamt verfügt ZB MED am Standort Königswinter jetzt über ca. 4.100 m² Fläche auf fünf Etagen. Im 1. bis 4. Geschoss dienen 3.800 m² als Archivfläche. Im Erdgeschoss befinden sich helle, farbenfrohe, großzügige Büroräume, ein multifunktionaler Besprechungsraum, ein weiterer Sitzungsraum und eine einladende Teeküche mit Sitzgelegenheit für Pausen oder einen kurzen persönlichen Austausch. Auf allen Etagen sind neue geschlechtsneutrale Sanitärräume entstanden.
Der rekordverdächtige Bezug des neuen Gebäudes von ZB MED ist das Ergebnis einer Teamleistung. Wir verdanken sie unserem Vermieter und ganz besonders der enormen Leistungsfähigkeit und -bereitschaft sowie dem Engagement des Bauprojektleiters Pascal Ludwig und der Bauleitungen der Vermieterfirma und deren Zusammenarbeit mit den beteiligten Firmen. Solch ein außergewöhnliches Ergebnis ist möglich, wenn Menschen zusammenkommen, die ihre Fähigkeiten und Visionen vereinen. Der Satz unseres Vermieters „alles ist möglich und für alles gibt es eine Lösung“ war nicht nur eine ständig wiederholte Phrase, sondern gelebte Wirklichkeit.
18 Kilometer Regale
So reibungslos die Bau- und Sanierungsphase verlief, so geräuschvoll vollzog sich der Umzug der Bibliotheksbestände. Ein Bibliotheksumzug mit 18 Kilometern an Zeitschriftenbeständen und etwa acht Kilometern an Regalen, der Erwerb von weiteren zehn Kilometern an neuen Regalen kann man sich zunächst etwa so wie einen „normalen“ Umzug vorstellen, nur etwas größer, etwas aufwändiger, etwas komplizierter und etwas herausfordernder.
Die Verlagerung der Zeitschriften an sich erforderte eine strenge Einhaltung der Reihenfolge, damit die Bestände ihre Ordnung behielten und auffindbar blieben. Dabei kamen rollende Bücherwagen zum Einsatz. Diese speziellen Wagen wurden durchnummeriert, systematisch befüllt und in festgelegter Reihenfolge auf LKWs geladen, damit beim Auspacken jedes Buch den ihm zugewiesenen Standort bekam. Eine zusätzliche Herausforderung bei den ZB MED-Beständen lag in der Zusammenführung der Bestände am neuen Standort. Zeitschriftentitel, die zuvor nach Jahrgängen getrennt in unterschiedlichen Magazinen untergebracht waren, sollten nun zusammen aufgestellt werden. Eine nicht zu unterschätzende logistische Leistung!
Ordnung ist nur die halbe Miete
Ein Bibliotheksumzug in der Größe bedeutet viel Vorarbeit, viel Vorplanung, viele Termine, viele Abstimmungen, viele Entscheidungen und ein permanentes Nachjustieren der Abläufe, der Pläne, der Abstimmungen.
Am Tiefpunkt wähnt man sich, wenn mehrere Aufzüge der Reihe nach ausfallen und Ersatzteile zeitaufwändig zu beschaffen sind. Wenn man lernen muss, dass Aufzüge ein Eigenleben haben und mit der Zeit verlernen, das zulässige Gewicht zu befördern, weil sie es nie mussten und sich daher auf ein niedrigeres Gewicht „eingestellt“ haben.
Doch eins habe ich gelernt: Es gibt für alles eine Lösung. Also Umplanen, neue Möglichkeiten ausloten und ausprobieren, Aus- oder Umwege suchen und finden, um alles voranzutreiben und zu einem guten Ende zu bringen.
Am 24. Oktober 2023 waren die neuen Scanner aufgestellt, die Büros eingerichtet und die ersten Aufsatzlieferungen konnten verschickt werden. Am 23. November 2023 stand schließlich auch die letzte Zeitschrift an ihrem neuen Standort. ZB MED ist angekommen in Königwinter!

„Die Bau- und Sanierungsphase und der Umzug der Bibliotheksbestände wurden für mich zur spannendsten, herausforderndsten, abwechslungsreichsten und an Vielfalt kaum zu toppenden Projektzeit. Ich habe täglich unfassbar viel gelernt, viel gearbeitet, mit unterschiedlichsten Firmen und Berufsgruppen und Menschen zusammengearbeitet, bereichernde Gespräche geführt und trotz vieler Arbeit viel gelacht. Jeder einzelne Tag war eine neue Herausforderung, die es zu meistern galt. Ein Umfeld, insbesondere in der Bau- und Sanierungsphase, in dem sich alle aufeinander eingelassen und sich aufeinander verlassen haben, wo Wertschätzung gelebt wurde, unterschiedliche Standpunkte vertreten und kontrovers diskutiert werden konnten, die Betrachtung des Gegenüber nachvollziehbar waren und berücksichtigt wurden, kann nur beflügeln. Denn am Ende gibt es dann für alles eine Lösung. Danke für diese großartige Erfahrung, Danke für diese Zeit. Danke an alle, die zu diesem Erfolg beigetragen haben!“